Geschichte
Die ehemaligen Innungen Calw und Nagold
Schatztruhe der Bäckergeschichte
Die Sammlung von Egon Luz ermöglicht einen Rückblick
bis ins 19. Jahrhundert
Egon Luz aus Neuhengstett hat die Geschichte der ehemaligen Bäcker-Innung Calw/Nagold akribisch aufgearbeitet. In einer blauen Truhe hat er Protokollbücher, Fotos, Zeitungsausschnitte und Festschriften aus zwölf Jahrzehnten gesammelt.
Er selbst hat mit seinen 78 Jahren vieles miterlebt, kennt noch viele Gesichter auf den alten Bildern. Aber auch die Zeit bis zurück in die Gründerjahre hat er - soweit noch möglich - rekonstruiert.
Nachdem 1862 im Königreich Württemberg das 600 Jahre alte Zunftwesen aufgehoben wurde, folgte die Zeit der handwerklichen Innungen.
Am 24. März 1886 gründeten 21 Meister aus Calw und weitere sieben aus dem Oberamt unter dem Verbandsvorsitzenden Friedrich Schlatterer aus Stuttgart die "Freie Bäckergenossenschaft Calw". Am 25. März 1902 wurde diese in einer außerordentlichen Generalversammlung zur "Freien Bäcker-Innung Calw" umgewandelt. Durch rückläufige Mitgliederzahlen schloss man sich 1973 mit der Bäcker-Innung Nagold zusammen.
Intensiv hat sich Egon Luz mit den Protokollbüchern der ersten Jahrzehnte beschäftigt.
Diese wiederum wurde als "Freie Bäcker-Genossenschaft Nagold" am 4. März 1893 gegründet, auch hier war der Verbandsvorsitzende Friedrich Schlatterer der Initiator. Der Vorsitzende Frohnmeyer und 13 Kollegen unterzeichneten die Gründungsurkunde. Noch im selben Jahr traten 15 Bäckermeister aus Altensteig der neuen Organisation bei. Laut Protokollbuch nannte man sich bei der ersten Generalversammlung am 2. März 1894 "Freie Bäcker-Genossenschaft Nagold-Altensteig" und hatte 30 Mitglieder. Leider gibt es kaum Aufzeichnungen über die Geschichte der einstigen Bäcker-Innung Nagold.
Mit der Gründung der Bäcker-Innung Region Nordschwarzwald trug man der weiter sinkenden Mitgliederzahl in allen vier beteiligten Innungen (Pforzheim-Enzkreis, Calw-Nagold, Vaihingen-Enz und Neuenbürg) am 10. April 2002 Rechnung. Nur ein Beispiel für den Umbruch im Backgewerbe: 1950 gab es in der Stadt Calw noch 20 backende Betriebe. Heute gibt es noch einen, alle anderen Bäckereifilialen werden von außerhalb beliefert.
Auch aus den anderen Regionen der heutigen Bäcker-Innung Region Nordschwarzwald hat Luz Informationen, wenn auch bisher erst spärlich. Von den Pforzheimern aber gibt es beispielsweise eine ausführliche Festschrift aus dem Jahr 1983, die 100 Jahre Innungsgeschichte Revue passieren lässt.
Sogar die Gegenwart ist in der blauen Truhe für die Nachwelt festgehalten. Die existierenden Bäckereien aus dem Gebiet Nagold und Calw hat Egon Luz in Bildern und Texten ausführlich porträtiert, mühsam hat er alle Informationen zusammengetragen, ist von einer Ecke der Region in die andere gefahren. 28 Betriebe wurden dabei erfasst, Backstuben fotografiert und Daten aufgeschrieben.
Die Schatztruhe mit der Geschichte und Gegenwart der ehemaligen Innungen Calw und Nagold soll dem Heimatmuseum übergeben werden.
Wenn er alle Arbeiten abgeschlossen hat, will Luz die geschichtsträchtige Truhe dem Calwer Heimatmuseum übergeben. Dort kann sie dann Interessierten einen Einblick in 120 Jahre Bäckerhistorie in unserer Gegend geben.
Egon Luz ist 78 Jahre alt und wuchs in Stuttgart auf, wo er auch das Bäckerhandwerk erlernte. Nach dem Krieg und seiner Meisterprüfung hat er sich in Neuhengstett selbstständig gemacht. Nach dem Tod seines Sohnes, der die Bäckerei 1988 übernommen hatte, wurde sie verkauft. In der Bäcker-Innung Calw, später Calw-Nagold, war er lange Jahre in der Vorstandschaft tätig. Als Öffentlichkeitsbeauftragter beschäftigte er sich bald mit alten Protokollbüchern und sammelte umfangreiches Bildmaterial.
Luz hofft, den nachfolgenden Generationen mit seiner Sammlung einen Einblick in die Geschichte und unsere heutige Gegenwart zu verschaffen, denn er befürchtet, dass sich schon in 20 bis 30 Jahren die heutige Struktur des Bäckerhandwerks radikal gewandelt haben wird.
Egon Luz (rechts) und Stv. Obermeister Peter Haab begutachten alte Protokollbücher und Bilder.
(Fotos: Timo Roller)